Andreas Schröder - Facharzt für Innere Medizin / Gastroenterologie
Prof. Dr. Andreas Tromm - Facharzt für Innere Medizin / Gastroenterologie / Proktologie / Ernährungsmedizin
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Divertikel des Dickdarms können sich je nach Stadium und Verlauf unterschiedlich äussern. Die Palette reicht von «asymptomatisch» über Bauchschmerzen und Stuhlunregelmässigkeiten bis hin zu schweren Verläufen mit Entzündungsfolgen (Fisteln, Abszesse, Perforationen) und Blutungen. Daher muss auch das therapeutische Vorgehen individuell festgelegt werden.
Die Prävalenz der Divertikelkrankheit wird in Europa zwischen
20 und 60 Prozent angegeben. Mit zunehmendem Alter
kommt es zu einer hohen Prävalenz der Divertikulose in den
westlichen Industrienationen. Das Auftreten der Divertikelkrankheit
vor dem 40. Lebensjahr stellt eine Ausnahme dar, die
Häufigkeit jenseits des 70. Lebensjahres wird mit 70 bis 80 Prozent
angegeben. Insgesamt handelt es sich also um ein häufiges
Krankheitsbild.
Pathologisch-anatomisch sind erworbene Pseudodivertikel
Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa im Bereich präformierter
Muskellücken der Darmwand durch die Blutgefässe
(Abbildungen 1 und 2), bevorzugt im Sigmabereich (Abbildung
3). Als Ursache wird die vermehrte Rigidität und nachlassende
Dehnbarkeit der Darmwand ebenso wie ein erhöhter
Darminnendruck angenommen. Im Gefolge einer Einengung
des Darmlumens und Segmentierung kommt es zu einer segmentalen
Druckerhöhung und einem Mukosaprolaps (Abbildung
4). Ernährung mit rotem Fleisch und hoher Fettkonsum
erhöhen das relative Risiko, Divertikel zu entwickeln, signifikant.
Umgekehrt reduzieren Ballaststoffe das Risiko, an einer
Divertikulose zu erkranken, signifikant. Es konnte bereits früh
gezeigt werden, dass Vegetarier ein signifikant geringeres Risiko
haben, an Kolondivertikeln zu erkranken.
Terminologie 1 |
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Divertikulose Asymptomatische Divertikel |
Divertikel-Krankheit Symptomatische Divertikel (Schmerzen, Meteorismus, Blähungen, Diarrhö) |
Divertikulitis Entzündung der Divertikel |
Entzündung der Divertikel Perforation, Abszess, Fistel, Striktur |
Abbildung 1: Intraoperativer Aspekt der PandivertikuloseEine Divertikulose liegt vor, wenn der Patient keine Symptome
klagt, sie hat also per se keinen Krankheitswert. Unter Divertikelkrankheit versteht man Patienten mit Divertikeln und
Symptomen wie Schmerzen, Meteorismus, Blähungen und
Diarrhö. Hier ist die Abgrenzung zu Patienten mit einem Reizdarmsyndrom
problematisch. Die unkomplizierte Divertikulitis
beschreibt eine Entzündung der Divertikel, die auf die
Darmwand beschränkt bleibt. Facetten der komplizierten
Divertikulitis sind Perforation, Abszess, Fistel und Striktur
(Kasten 1) (1).
Die Analyse der Verlaufsmuster zeigt, dass etwa 75 Prozent der
Divertikelträger klinisch asymptomatisch sind (Abbildung 5).
25 Prozent der Patienten entwickeln Symptome im Sinne einer
Divertikelkrankheit. Unter diesen treten bei 25 Prozent Blutungen
und bei 75 Prozent eine Divertikulitis auf. Eine Divertikulitis
kann wiederum bei 25 Prozent der Patienten kompliziert
verlaufen.
Divertikulose: Asymptomatische Divertikel
Divertikelkrankheit: Symptomatische Divertikel (Schmerzen, Meteorismus, Blähungen, Diarrhö)
Divertikulitis: Entzündung der Divertikel
Komplizierte Divertikulitis: Perforation, Abszess, Fistel, Striktur
Abbildung 2: Endoskopischer Aspekt von DivertikelnEine generell akzeptierte Stadieneinteilung der Divertikelkrankheit gibt es nicht. Eine pragmatische, klinisch orientierte Stadieneinteilung unter Einbeziehung von CT-Kriterien haben Hansen und Stock entwickelt (3) (Kasten 2). Diese Einteilung umfasst sowohl das Stadium der asymptomatischen Divertikulose wie auch die Situation der chronisch-rezidivierenden Divertikulitis. Im Wesentlichen wird dann die akute unkomplizierte Divertikulitis (Stadium I) von der akuten komplizierten Divertikulitis (Stadium II) abgegrenzt. Diese wird wiederum unterschieden in das Stadium IIa (Peridivertikulitis, Phlegmone), das Stadium IIb (abszedierende Divertikulitis perikolisch bzw. gedeckte Perforation) sowie das Stadium IIc (freie Perforation) (3). Diese Einteilung spiegelt das dreidimensionale Geschehen der Entzündung in der und über die Darmwand hinaus wider und hat therapeutische Implikationen. So ist allgemein akzeptiert, im Stadium IIb und IIc operativ zu intervenieren.
Das klinische Bild bei der Divertikulitis hängt davon ab, ob und
in welchem Ausmass entzündliche Veränderungen beziehungsweise
Komplikationen vorliegen. Die klassische klinische
Situation ist das Bild der Linksappendizitis mit Spontanschmerz
im linken Unterbauch. Bei der Palpation ist ein Druckschmerz
im linken Unterbauch provozierbar. Gegebenenfalls
besteht eine lokale Abwehrspannung (Kasten 3). Weiterhin
kann es zum Auftreten von Fieber und zu veränderten Stuhlgewohnheiten
kommen. Ein Teil der Patienten klagt über dysurische
Beschwerden. Im Rahmen der differenzialdiagnostischen
Abklärung sind gynäkologische (z.B. Adnexitis) und
urologische Erkrankungen (z.B. Nephrolithiasis) ebenso zu berücksichtigen
wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
(M. Crohn, C. ulcerosa), ischämische Darmerkrankungen oder
Infektionen.
Hilfreich ist die Bestimmung von Entzündungsparametern
(Leukozyten, CRP). Im Sonogramm lässt sich ein echoarmer
Hof um die echoreichen Divertikel erkennen, zudem können
Nekrosestrassen dargestellt werden. Die Sensitivität und Spezifität des Ultraschalls ist jedoch stark von
der Erfahrung des Untersuchers abhängig.
In der letzten Zeit ist die Bedeutung der
Computertomografie für die Diagnose der
Divertikulitis herausgearbeitet worden. Es
konnte gezeigt werden, dass die CTDiagnose
eines Abszesses prognostische
Relevanz hat, da man bei diesem
Befund mit einem hohen Risiko
rechnen muss, dass die konservative
Therapie versagt (4).
Abbildung 3: Lokalisation der DivertikuloseDie Divertikelblutung tritt mitunter massiv und schmerzlos auf. Bei zirka 40 Prozent aller unteren gastrointestinalen Blutungen wird eine Divertikelblutung gefunden. Die meisten Blutungen sistieren spontan. Die Rezidivrate wird mit 50 Prozent ange geben. Die akute komplizierte Divertikulitis geht mit einer relevanten Mortalität von bis zu 6 Prozent einher. In dieser Situation ist eine engmaschige Abstimmung mit den Viszeralchirurgen notwendig. Für dieses Vorgehen hat sich die Einrichtung von sogenannten Bauchzentren beziehungsweise Bauchstationen, die kooperativ von Gastroenterologen und Viszeralchirurgen geleitet werden, bewährt. Als Risikofaktoren bei einer akuten komplizierten Divertikulitis gelten Komorbiditäten
Bei symptomatischer unkomplizierter Divertikelkrankheit des Kolons hat sich das Probiotikum E. coli Nissle 1917 als hilfreich erwiesen (5). Neue Daten zeigen den positiven Nutzen von Mesalazin bei Patienten mit Divertikelkrankheit, aber auch bei Patienten nach unkomplizierter Divertikulitis in Bezug auf die Zahl der Divertikulitisrezidive.
Stadium | Klinik/Befunde |
---|---|
0 | Asymptomatische Divertikulose |
I | Akute unkomplizierte Divertikulitis |
II | Akute komplizierte Divertikulitis |
IIa | Peridivertikulitis |
IIb | Gedeckte Perforation |
IIc | Freie Perforation |
III | Chronisch-rezidivierende Divertikulitis |
In der letzten Zeit hat der Themenkomplex
Divertikulose-Divertikulitis durch
Neubewertung des Risikos eines weiteren entzündlichen Schubes und damit
die Planung des Operationszeitpunktes
hohe Aktualität gewonnen. Aufgrund
neuerer Daten zum Spontanverlauf
nach akuter Divertikulitis wird im Unterschied
zu den früheren Untersuchungen das Risiko eines
ersten Rezidivs bei einem Follow-up von neun Jahren mit
13 Prozent angegeben. Das Risiko für ein zweites Rezidiv lag
bei 4 Prozent (6). Deshalb wird abweichend von früheren
Empfehlungen die Sigmaresektion erst nach dem dritten entzündlichen
Schub empfohlen.
Bei unkomplizierter Divertikulitis ist entsprechend den aktuellen
Empfehlungen der Amerikanischen Gesellschaft für Koloproktologie
die Anzahl der Schübe für die Indikation zur
elektiven Operation von geringerer Bedeutung. Dagegen sollte
ein solcher Eingriff beim ersten Schub einer komplizierten
Divertikulitis unter Berücksichtigung eines CT-Gradings erfolgen (7).
Literatur unter www.allgemeinarzt-online.de/downloads/literaturliste.html
Alle Abbildungen von Andreas Tromm.
Prof Dr. med. Andreas Tromm
Kinik für Innere Medizin
Evangelisches Krankenhaus Hattingen GmbH
Akademisches Lehrkrankenhaus
der Ruhr-Universität Bochum
D-45525 Hattingen
Interessenkonflikte: keine deklariert
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 19/2008.
Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.